Jungs s `is Revolusioon!

 

Vor ein paar Tagen sahen meine Frau und ich einen Reisebericht über die portugiesische Algarve. Das weckte Erinnerungen.

Es ist wohl ein halbes Leben her, dass wir dort waren. Damals machten wir zwei Jahre hintereinander im Fischerdorf Albufeira Urlaub. Schlagartig stellten sich Erinnerungen ein.

Wir wohnten damals in der neu erstellte Hotelanlage Albufeira Jardim. Das Hotel stand unter englischer Leitung. 

Die Appartements waren schön und zweckmäßig eingerichtet und hatten einen traumhaften Blick auf das Meer.

Wir genossen den herrlich einsamen Strand, die im Frühjahr hier schon warm scheinende Sonne und das von nur wenigen Touristen besuchte Dorf mit seinen malerischen Gassen und den einladenden Restaurants. Frischen Fisch gab es bei Antonio im ländlichen Gasthof vom Grill, leckeren Wein, alles noch recht preiswert.

Unser zweiter Aufenthalt neigte sich seinem Ende zu, als wir durch den Ort spazierten und feststellten, dass für einen Werktag merkwürdige Ruhe herrschte. Sogar die Bank war geschlossen.

Als wir zurück im Hotel waren, fragten wir an der Rezeption nach, was wohl der Grund für diese eigentümliche Stille sei. Man erklärte uns, dass es eine Revolution gegeben hätte.

Natürlich waren wir erschrocken. Unser kleines mitgebrachtes Transistorradio gab nur portugiesichsprachige Nachrichten her, was wir natürlich nicht verstanden. So waren wir auf die Informationen der netten Dame hinter dem Rezeptionstresen angewiesen. Es hieß, alles sei ziemlich unblutig abgelaufen, nun sei man befreit.

Wohl um uns abzulenken und aufzumuntern, lud uns und einige andere Hotelgäste der Hotelmanager, ein Hamburger, zu einer Rundfahrt mit dem VW-Bus ein. Es ging in die Berge der Sierra de Monchique in das Dörfchen Alte, wo ein Volkstanzgruppe für uns auftrat.

Unterwegs waren uns Lastwagen aufgefallen, auf deren Ladefläche jubelnde junge Männer saßen. Vor allem die Jungen freute die gewonnene Revolution, weil sie nun hofften, dem verhassten Militärdienst zu entkommen, der sie oft in die portugiesische Kolonie Angola geführt hatte. Unser Hotelmanager rief ihnen freudig zu, und ich habe es noch im Ohr:“ Jungs, s ` is Revolusioon!“

Abschluss fand unser Ausflug in einem urigen Fischlokal, das wir alleine wohl nicht betreten hätten. Aber wir hatten ein köstliches Abendessen.

Zur Revolution. In Portugal herrschte bei unserer Ankunft noch eine Diktatur angeführt von Marcello Caetano, der Nachfolger des Diktators Salazar geworden war. 

Das Signal zum Aufstand der rebellischen Militäreinheiten war am 24. April 1974 um 22.50 Uhr das Abspielen des Liebesliedes - „E depois do ade us“ - von P. de Carvalho im Radio. Beginn der Nelkenrevolution. Die Soldaten hatten in die Läufen ihrer Gewehre Nelken gesteckt.

Nach diesem schönen Ausflug folgte dann aber die Ernüchterung. Uns wurde mitgeteilt, dass die Grenzen und die Flughäfen für unbestimmte Zeit geschlossen blieben.

Unser Urlaub neigte sich, am übernächsten Tag sollten wir abreisen, das ginge wohl nicht, teilte unsere herbeigeeilte Reiseleiterin mit.

Pflichtbewusst, wie wir waren, die Schule fing ja wieder an, erreichten wir, dass wir am nächsten Tag zwei Plätze im Bus einer anderen Reisegesellschaft bekamen, die eine Erlaubnis hatte, die Grenze nach Spanien zu passieren, um einen Flieger in Torremolinos zu erreichen. In aller Herrgottsfrühe kam der Bus tatsächlich, und wir fanden noch zwei Sitzplätze, natürlich getrennt von einander! Zur Mittagszeit hielt der Bus an einem Lokal, und die Gäste der betreffenden Reisegesellschaft bekamen ein Mittagessen spendiert. Wir nicht! Portugiesisches Geld hatten wir auch nicht mehr, um uns selbst etwas zu bestellen.

Die Fahrt ging weiter. Abends kamen wir dann ausgehungert und durstig in Torremolinos an. Eine Mitreisende, die unser Leid mitbekommen hatte, spendierte uns ein paar Pesos, damit wir uns wenigstens eine Cola gegen den Durst kaufen konnten.

Das Flugzeug hob auch ab, nur es flog nicht nach Köln/Bonn, sondern nach Düsseldorf, weil in Köln/Bonn Nachtflugverbot herrschte.

Mein Vater, der uns abholen wollte, stand natürlich nicht in Düsseldorf!

Aber auch dieses Problem wurde gelöst.

Heute frage ich mich, ob es vielleicht nicht besser gewesen wäre, unserem Schulleiter telefonisch mitzuteilen:“ S `is Revolusioon! Wir kommen später!“

Nachtrag - Auch in dem oben angesprochenen Reisebericht kam Albufeira vor. Der Ort ist nicht wieder zu erkennen. Überall sind Hotels errichtet, Neonreklamen werben für ein rummliges Nachtleben. Es hat etwas von „Ballermann“.