Ein Käfer

 
Hauptdarsteller dieser Geschichte ist ein Auto. Ein VW Käfer - eins der frühen Nachkriegsmodelle. Jedenfalls hatte dieses Auto noch eine kleine geteilte Heckscheibe und musste mit sogenannten Zwischengas gefahren werden. Ein Vorbesitzer wollte das gute Stück ein wenig jünger erscheinen lassen, indem er den Mittelsteg der Heckscheibe herausgesägt hatte. Außerdem besaß dieser PKW noch richtige Winker als Fahrtrichtungsanzeiger.
Zur Finanzierung meines Studiums war ich in den frühen 60ger Jahren als Kabelhilfe beim WDR tätig. Der Koordinator dieser Hilfskräfte residierte in einem Hinterhof der Kleinen Witschgasse in Köln. Wegen seiner Vollglatze nur „Pläte - Schulz“ genannt. Man musste sich gut mit ihm stellen, damit man genug Einsätze zugeteilt bekam.
Eines Tages nun eröffnete mir jener Herr, dass er sein Auto verkaufen wolle, eben jenen VW, von dem ich eben berichtet habe. Der Wagen sei noch gut im Schuss und auch nicht zu teuer, ob ich niemanden wüsste, der ihn kaufen wolle. Ich persönlich hatte nicht genug Geld für Kauf und Unterhalt. Freund Martin aber zeigte sich interessiert. Kurz gesagt, der Wagen wechselte bald für ein paar hundert D-Mark den Besitzer. Mir kam das zu Pass, denn so kam auch ich als Freund in den Genuss der einen oder anderen Autotour.
IMG0001

Eine längere Reise sollte uns nach Straßburg führen. Wir fuhren am Morgen los und benutzten die Bundesstraße entlang des Rheines. Ich glaube, es war in der Gegend von Koblenz, als wir einen Geruch nach Verbranntem wahrnahmen und hinter uns von der Rückbank Qualm aufsteigen sahen. Sofort hielten wir an, sprangen aus dem Auto, warteten in gebührendem Abstand auf Schlimmeres und rissen dann ein paar Habseligkeiten aus dem Wagen. Nach einer Weile machten wir uns daran und hoben die qualmende Rückbank hoch. Ein Feuer war zum Glück noch nicht entstanden. Nun, was war geschehen? Am Abend vor unserer Abreise hatte der Bruder meines Freundes Martin die Autobatterie, die beim Käfer damals bekanntlich unter dem Rücksitz positioniert war, gegen eine aus einem anderen Fahrzeug getauscht. Diese Batterie hatte aber eine höhere Spannung, das Schlimmste aber war, dass er keine Abdeckung über den beiden Pole der Batterie angebracht hatte. So hatte die Metallstreben des Sitzes einen Kurzschluss verursacht. Irgendwie, wie weiß ich nicht mehr, kamen wir in den Besitz einer ordentlichen VW-Batterie und konnten die Fahrt fortsetzen.
IMG 51er Käfer

Nach beschaulicher Fahrt erreichten wir auch heil Straßburg. Wir stellten den Wagen ab und gingen auf Besichtigungstour. Müde vom Herumlaufen kamen wir dann wider zu unserem Auto und wollten weiterfahren, nur, das Gefährt wollte und wollte nicht anspringen. Auch mehrmalige Startversuche halfen nicht. Wir verabredeten, dass Martin beim Auto bliebe, ich sollte erkunden, wo es eine Werkstatt gäbe, die uns helfen könnte. Ein freundlicher Polizist gab mir dann einen Tipp, und ich ging zurück zum Auto. Aber die Stelle, an der der Wagen gestanden hatte, war leer! 
Verdutzt musste ich dann etwas später mit ansehen, wie Freund Martin im VW an mir winkend vorbeifuhr. Dies geschah mehrmals! Als er dann schließlich doch anhielt, erklärte er mir, plötzlich sei der Wagen doch angesprungen und er habe sich nicht getraut anzuhalten. In beschriebener Werkstatt musste dann eine neue Zündspule eingebaut werden, die Kosten dafür schmälerten unser eh schon begrenztes Budget sehr.
Wir besuchten etliche Weindörfer, tranken den einen oder anderen Schoppen und übernachteten irgendwo in einem Hotel.
Zwei Tage später machten wir uns auf die Heimreise, wieder über Landstraßen. Wir wollten Heidelberg besuchen. Kurz vor dem Ziel tuckerte vor uns ein Trecker mit Anhänger. Martin setzte hurtig zum Überholen an, als es auch schon ein hässliches, splitterndes Geräusch gab. Aus dem Anhänger nämlich ragte ein langes Eisenrohr über die Ladefläche hinaus. Dieses hatte sich nun in den rechten Scheinwerfer unseres VWs gebohrt. Dem Trecker samt Anhänger fehlte nichts. Tatsächlich fanden wir am Samstag auch eine Werkstatt mit angegliedertem Schrottplatz, in der ein neuer alter Scheinwerfer eingebaut wurde. 
Ein paar Mark waren noch übrig, so dass wir am Abend in einer zünftigen Studentenkneipe unseren Kummer mit ein paar Bier herunterspülen konnten.
Unfallfrei erreichten wir am anderen Tag die Heimat.
Martin Holland2

Auch im nächsten Jahr war der VW noch fahrbereit, und wir machten eine Reise nach Holland und Belgien. 
Eine Station war die schöne Stadt Leiden. Wir hatten einen Parkplatz gefunden, von wo aus wir die Sehenswürdigkeiten des Städtchens erkunden wollten. Nach einer Weile kamen mir Zweifel, ob ich den Wagen auch abgeschlossen hatte. Ich sagte Martin, dass ich flott einmal zurückginge, um nachzuschauen. Ich fand unseren VW, der natürlich abgeschlossen war. Nur, meinen Freund Martin fand ich dann nicht mehr! Ich irrte in den Straßen herum, nirgendwo war ein Martin zu sehen! Nachdem ich beinahe eine Stunde gesucht hatte, sah ich einen Streifenwagen der örtlichen Polizei. Den Beamten schilderte ich meine Situation, sie luden mich ein, im Polizeiwagen Platz zu nehmen und fuhren mit mir in der Stadt herum. Als Anhaltspunkt für die Suche konnte ich nur angeben, dass ich meinen Freund an einer Gracht mit Brücke zurückgelassen hatte. In Leiden keine wirklich hilfreiche Ortsangabe! Irgendwie fanden wir Martin doch, der nicht schlecht staunte, als ich aus einem Streifenwagen stieg.

Nachtrag. Einige Monate später ging besagter PKW in meinen Besitz über, er brachte mich eine ganze Weile noch zur Uni, wo man damals noch einen Parkplatz fand.
Das ging so lange, bis die Abstände zu kurz wurden, in denen ich von der Polizei zur Fahrzeugkontrolle angehalten wurde. Schweren Herzens brachte ich den treuen Freund zum Schrottplatz und bekam noch 50DM für ihn.
Leider existieren keine Fotos des bewussten Autos und der Reise nach Straßburg mehr!

Weiterer Nachtrag - gerade rief Freund Martin an. Er konnte mir sagen, dass unser VW vom Baujahr 1951 war. Fotos des guten Stückes hat er auch noch. Ich werde sie ergänzen.

Südt. 35

Martin war so freundlich und hat meine Käferstory um die Geschichte über den Fiat 500, genannt Donnervogel, ergänzt. Mein Gott, wenn ich mir vorstelle, dass man heute mit so total fahruntauglichem Gefährt umherkutschieren würde! Ich erinnere mich noch, dass ich, wenn mein Freund den Wagen an einer Steigung anhalten musste, beim Wieder-Anfahren wegen defekter Handbremse mit der Hand das Bremspedal bedienen musste. Es sei noch erwähnt, dass zu jener Zeit Freund Martin gerade in den Besitz des Führerscheins gekommen war! Den hatte ich damals noch nicht.
Einen solchen 500ter Fiat sieht man heute noch gelegentlich, ich habe einmal einen solchen fotografiert.