Dr. B.

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Buchtitel

Herr Dr. B. war für eine Zeit mein Deutschlehrer. Für die Gestaltung der Zeugnisnote mussten wir Schüler von Zeit zu Zeit eine Klassenarbeit in Gestalt eines Aufsatzes schreiben. Heute heißt so etwas Klausur. In der Oberstufe waren das zumeist sogenannte "Besinnungsaufsätze". Nach einer allgemeinen, zum Thema passenden Einleitung, musste im Hauptteil das Für und Wider einer Sachlage erörtert werden. Dann kam der Schluss, in dem man sich für das Für oder für das Wider entscheiden und diese Entscheidung begründen musste.

Einmal lautete die Thematik, ich glaube so oder ähnlich lautete sie, ob man besser Englisch oder Französisch lernen sollte.

Ich war damals etwas frankophil und entschloss mich, für das Französische zu plädieren, weil es die Sprache großer Philosophen und Schriftsteller war. Die Existentialisten Sartre und Camus zogen mich gewaltig in ihren Bann.

Nun, an Argumente für Französisch mangelte es ja nicht. Aber, was sollte ich gegen das Englische ins Felde führen? Ich kam zu dem Ergebnis, dass diese Sprache, immerhin die Sprache Shakespeares, recht holprig klänge und somit eine Bauernsprache sei.

Das hätte ich nicht tun sollen, denn Dr. B. war im "Nebenberuf" auch Englischlehrer!

Mein Frevel verbreitete sich in der Schule wie ein Lauffeuer. Lehrer machten mir gegenüber komische Bemerkungen oder grinsten mich auf den Fluren an. Ich hatte keine Ahnung warum, obwohl die Art der Bemerkungen auf einiges schließen ließ.

Was soll ich sagen, mein Aufsatz wurde mit ausreichend, oder Schlimmerem, ich weiß es nicht mehr, bewertet. Schlimmer aber noch war, dass sich das Lehrerkollegium offensichtlich in zwei Fraktionen gespalten hatte - Pro- und Kontra Schülermeinung!

Bei besagtem Deutschlehrer bekam ich kein Bein mehr auf die Erde. Alle meine nachfolgenden Klassenaufsätze trugen die Note ausreichend. Irgendwann platzte mir der Kragen, ich fasste allen meinen Mut zusammen und bat Dr. B. um ein Gespräch. Auf meine Frage, warum alle meine Aufsätze nur ausreichend seien, stammelte er, offenbar überrascht, etwas zusammen, so nach dem Motto, ich sei eigentlich nur ausreichend!

Zum Glück bekam ich später einen anderen Deutschlehrer, bei dem sich meine Noten erheblich besserten und auch in ihrer Bandweite schwankten! Welcher "Fraktion" er angehörte, habe ich nie herausbekommen.

Ich schreibe das jetzt erst auf, da besagter Dr. B. gewiss schon im Philologenhimmel weilt, oder sollte es doch die Hölle sein, wenn es so etwas überhaupt für Lehrer gibt?