Norman Maclean Aus der Mitte entspringt ein Fluss


Kleine Mädchen und kleine Jungs haben meist so ein Buch, das sie Freunde-Buch nennen. Darin wird derjenige, der etwas hineinschreiben soll, unter anderem oft nach seinem Lieblingsbuch gefragt.

Wenn ich danach gefragt würde, nun rücke ich endlich damit heraus, wäre das mit großer Sicherheit Norman Macleals Roman "Aus der Mitte entspringt ein Fluss".

Ich kenne kein anderes Buch, das die Faszination des Fliegenfischens so genau beschreibt. Sein Erscheinen und vor allem Robert Redfords Verfilmung löste in den Vereinigten Staaten einen wahren Boom für das Fliegenfischens aus.

Der eigentliche Hauptdarsteller in Buch und Film ist natürlich das Fliegenfischen, jene faszinierende Art den Fischen nachzustellen. Natürlich gibt es eine "Nebenhandlung". Die handelnden Personen, ein Brüderpaar, wie es ungleicher nicht sein kann, und ihr Vater, ein presbyterianischer Prediger, erleben einen ereignisreichen Sommer in Montana am Blackfoot River, raufend, liebend und natürlich auch fischend.

Maclean hat dieses Buch im hohen Alter geschrieben, nachdem seine Kinder ihn baten, die Geschichten aufzuschreiben, die er ihnen oft erzählt hatte.

Um einen Eindruck von der erzählerischen Kraft Macleans zu geben, möchte ich einige Passagen aus dem Roman zitieren. Das Buch beginnt mit folgenden Sätzen :

 

In unserer Familie gab es keine klare Trennung zwischen Religion und Fliegenfischen. Wir lebten am Zusammenfluss großer Forellenwasser im Westen von Montana, und unser Vater war presbyterianischer Geistlicher und ein Fliegenfischer, der seine Fliegen selbst band und andere unterwies. Er erzählte uns, dass die Jünger Christi Fischer waren, und wir mussten annehmen, was mein Bruder und ich auch taten, dass alle erstklassigen Fischer am See Genezareth Fliegenfischer waren, und dass Johannes, der Lieblingsjünger Kunstfliegenfischer war."

 

In, wie ich meine, einmaligen Dichte und Stimmigkeit schließt Maclean sein Buch und sagt, was das Fliegenfischen für den wahren Passionierten ausmacht :

 

Natürlich bin ich jetzt zu alt, um noch viel als Fischer zu taugen, und jetzt fische ich natürlich meistens allein an den großen Wassern, auch, wenn manche Freunde meinen, das sollte ich nicht. Wie viele Fliegenfischer im Westen von Montana , wo die Sommertage von fast arktischer Länge sind, fange ich oft erst in der Abendkühle an zu fischen. Dann, im arktischen Halblicht des Canyon, geht alles Sein auf in einem Wesen mit meiner Seele und meinen Erinnerungen und den Geräuschen des Big Blackfoot River und einem Viertakt-Rhythmus und der Hoffnung, dass ein Fisch erscheint.

Schließlich verschmelzen alle Dinge zu einem, und aus der Mitte entspringt ein Fluss. Der Fluss entstand durch die große Weltenflut, und zerfließt über Felsen aus dem Urgrund der Zeit. Auf manchen Felsen sind zeitlose Regentropfen. Unter den Felsen sind die Worte, und manche der Worte sind bei den Felsen.

Ich werde von Wassern verfolgt.

 

Der kongeniale Film von Robert Redfort mit dem jungen Brad Pitt in der Rolle des Bruders fängt mit diesen Worten an. Der Autor spricht sie selbst und bindet dabei eine Fliege an seine Leine.