Gedicht

Friedrich Hölderlin verbrachte bekanntlich die Hälfte seines Lebens, wie es heißt in geistiger Umnachtung, fürsorglich umsorgt von Schreinermeister Schreiber und seiner Familie, in einem Turmzimmer im Hause eben dieser Familie. Gelegentlich hatte er Besuch von Tübinger Studenten oder von anderen Dichtern. Denen schenkte er dann manchmal ein kleines Gedicht, das er nicht mit seinem richtigen Namen unterzeichnete, sondern meist mit Scardanelli.

Diese Gedichte werden die "Spätesten Gedichte" genannt.

Eines heißt "Höhere Menschheit", es setzt noch immer Vertrauen in die Vernunft der Menschen. Gezeichnet hat er oft mit Scardanelli.

 

Den Menschen ist der Sinn ins Innere gegeben.

Daß sie als anerkannt das Beßre wählen,

Es gilt als Ziel, es ist das wahre Leben,

Von dem sich geistiger des Lebens Jahre zählen.

 

                                   Scardanelli

 

Aus Friedrich Hölderlin - Die Gedichte, Insel Taschenbuch 2796, Herg. Jochen Schmidt