Chemnitz ist überall

Jetzt sind wir allenthalben zutiefst überrascht, von dem, was in Chemnitz passiert ist. Unser Gedächtnis greift zu kurz! Erinnern wir uns doch an die Bilder von Hoyerswerda, als der Mob im September 1991 in einem Block, in dem Vietnamesen untergebracht waren, Feuer legte. Ich sehe noch die Fernsehbilder, die Beifall klatschende Kleinbürger zeigten. Auch an Solingen denkt kaum noch jemand. Vergessen sind die Nachrichten darüber, dass Künstler, die sich gegen Fremdenfeindlichkeit ausgesprochen hatten, im Osten nicht aufzutreten wagten, weil sie Gewaltdrohungen erhalten hatten. Erinnern wir uns daran, dass es in Ostdeutschland Bezirke gab, die zu rein deutsche Gebieten erklärt worden waren! Unzählige andere Beispiele ließen sich anführen.

Wir machen uns etwas vor, wenn wir glauben, Fremdenhass käme nur sporadisch vor. Die Angst vor allem Fremden ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Beinahe jeder kennt die peinliche Situation, wenn man mit Bekannten, Verwandten, zufällig getroffenen Menschen auf das Thema Flüchtlinge zusprechen kommt, und man feststellen muss, dass das Gegenüber keine positive Einstellung diesen Menschen gegenüber hat. Ich persönlich bin dann dazu übergegangen, dem Betreffenden klarzumachen, warum Menschen fliehen mussten. Nur so kann man dieser stillschweigenden Übereinkunft in Sachen Fremdenfeindlichkeit beikommen.

Daniel Kehlmann hat in Linz ein Rede aus Anlass der Brucknertage  zum Thema Tradition gehalten und darin ausgeführt, dass Tradition nicht etwas von gestern ist, sondern stets präsent ist und uns immer begleitet, wie etwa die Schandtaten des 3. Reiches. Er sagt, dass wir heutzutage dazu verpflichtet sind, vor Krieg, Folter und Not fliehenden Menschen zu helfen.

Nachzulesen ist diese sehr lesenswerte Rede in der letzten Ausgabe der ZEIT.

Es müsste jemanden geben, der diese Worte in eine Sprache übersetzt könnte, die auch dem Mob verständlich ist. Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren, dass Menschen belehrbar sind!